02.04.2024

Ausstellung bei Artists Unlimited: Wie wichtig sind Großeltern? Was bedeuten die Erinnerungen? HSBI-Alumni und -Studierende versuchen eine Antwort

Ein Wäschezeichenband mit den Initialien DD vor einem schwarzen Hintergrund
Helen Lüth arbeitet in ihrem Artists-Unlimited-Raum mit Objekten, auf die sie bei der Auflösung des Haushalts ihrer verstorbenen Großmutter gestoßen ist, wie etwa dieses Wäschezeichenband mit den Initialien D.D. © Helen Lüth

Vom 5. bis 27. April ist die Ausstellung „In Erinnerung an…“ in der Galerie Artists Unlimited zu sehen. Eine Künster:innengruppe von der Hochschule Bielefeld begibt sich mit Fotos und Rauminstallationen auf Spurensuche nach den eigenen Großeltern. Geöffnet freitags 16-19 Uhr, samstags und sonntags 14-17 Uhr.

„Für viele Kinder sind die Großeltern der Schlüssel zur Familiengeschichte. Kinder wollen wissen, wo sie herkommen, wo ihre Familie herkommt.“ Das hat der österreichische Religionspädagoge Prof. Dr. Anton A. Bucher von der Universität Salzburg jüngst in einem Interview mit der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft gesagt und ein bisschen Werbung gemacht für sein Buch „Lebensernte. Psychologie der Großelternschaft“. Das Werk stützt sich unter anderem auf eine riesige quantitative Untersuchung mit zahlreichen Befragten. Dass man sich dem Thema auch ganz anders nähern kann und dennoch vielleicht zu einer ähnlichen Aussage wie Bucher kommt – das zeigen zwischen dem 5. und 27. April Alumni und Studierende des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Bielefeld (HSBI) in der Galerie Artists Unlimited. „In Erinnerung an…“ heißt ihre Ausstellung, die von Hugo Hilpmann kuratiert wurde. Gezeigt werden Fotografien, Videoarbeiten und Rauminstallationen zum Thema Erinnerung an die eigenen Großeltern. Die Arbeiten stammen von Hilpmann selbst sowie von Helen Lüth, Lars Vieth, Lucie Marsmann und Jule Ehlenz.

„Der soziale Gebrauch der Fotografie bewegt sich in einem Kreislauf von Erinnern und Vergessen.“

Aus dem Text zur Ausstellung

„In der Gruppenausstellung werden die Künstler:innen zu Spurensucher:innen – in Materialsammlungen und Fotoalben der Großeltern und Eltern sowie an Orten und Gebäuden ihrer Kindheit“, erläutert Hilpmann. „Wir offerieren einen Einblick in das Private und bieten den Austellungsbesucher:innen die Möglichkeit, sich mit dem Fremden zu identifizieren. Es sind ganz eigene Archive entstanden, indem vorhandene Bilder kontextualisiert und Neuschaffungen gegenübergestellt werden.“

Für Hilpmann und seine Kolleg:innen bewegt sich der soziale Gebrauch der Fotografie „in einem Kreislauf von Erinnern und Vergessen“. In mitten dessen wollen es die Künstler:innen schaffen, einen Moment des Innehaltens zu gewähren. Hilpmann: „Indem die Arbeiten die Objekte bewahren, betonen sie die Aktualität von Erinnerung.“

Im Folgenden einige Erläuterungen zu den einzelnen Werken, die aus der Ausstellungsbeschreibung stammen:

„Früher durfte ich immer den Bierschaum abzutschen!“

Blick auf eine Schrankwand aus Kiefernholz
80er oder 90er? Blick auf die Schrankwand des großmütterlichen Wohnzimmers aus der Arbeit von Lars Vieth.

In seiner Arbeit „Früher durfte ich immer den Bierschaum abzutschen!“ untersucht Hugo Hilpmann die Fotografie als Erinnerungsträger. Konfrontiert mit dem frühen Tod seines Großvaters, begibt er sich auf die Suche nach Erinnerungen. Als Vorlage dienen ihm Stasi-Unterlagen, das lose Archiv seiner Familie und deren Erzählungen. Durch die Kombination der Bilder und der Erzählungen werden die Erinnerungen der anderen zu seinen, und er erstellt ein eigenes Familienarchiv.

In den 80er und 90er Jahren fotografierte Lars Vieths Großmutter ihre Reisen ins Unbekannte. Vieth eignet sich in seiner Arbeit die Bilder der Großmutter an und bringt sie in ihren ursprünglichen Kontext zurück. Er sucht seine Großmutter, in Bildern auf denen sie selber nicht abgebildet ist. Er fragt nach ihren Erinnerungen und Erlebnissen und verbindet sie im stillen Dialog mit seinen.

Drei Erinnerungsräume für die Spurensuche

Die Rauminstallation „Ulla & Willi“ von Lucie Marsmann ist ein Auszug aus dem Familienarchiv ihrer Großeltern mütterlicherseits. Das Ritual der Großeltern, sich gegenseitig zu fotografieren, spielt in der Arbeit eine entscheidende Rolle. Durch geschickte Paarungen und die Kombination von Erinnerungsstücken entsteht eine konzentrierte Narration des großeltlerlichen Selbstdarstellens.

Jule Ehlenz wiederum geistert in ihrer Rauminstallation durch die Verwendung von Doppelbelichtungen durch das Haus ihrer Großeltern, indem sie Selbstporträts mit Archivmaterial kombiniert. Auf der Suche nach Nähe entsteht eine Dialektik zwischen dem, was vorhanden ist, und dem, was vergeht, wenn ein Mensch von uns geht. Was bleibt, wenn ein Mensch verstirbt? Was lässt er zurück? Welche Erinnerungen bleiben uns? Die Arbeit stellt die Frage danach, wie nach dem Tod eine Verbundenheit spürbar werden und bleiben kann.

Helen Lüth sucht in ihrem Artists-Unlimited-Raum nach den Spuren ihrer Großmutter: Auf der Paradeisstraße steht das Haus der Verstorbenen. Nach ihrem Tod löst die Familie ihren Haushalt auf. Enkelin entdeckt handgeschriebene Zettel und umgenähte Kleidungsstücke – Abnutzungen eines gelebten Lebens. Durch die Scans der Kleidung versucht sie, ihrer „Oma“ ein letztes Mal näher zu kommen. (hh)

Eine Collage aus drei verschiedenen Plakaten nebeneinander
Die Doppelbödigkeit von fotografischen Erinnerungsstücken wird in den Entwürfen der Plakate zur Ausstellung von Edgar Nienhüser deutlich, die mit Transparenzen arbeiten und den Blick nur auf einen Bruchteil der ausgestellten Arbeiten freigeben.
Die Ausstellung „In Erinnerung an…“

Freitag, 05.04.2024, 19 Uhr: Ausstellungseröffnung „In Erinnerung an…“ mit Werken von Helen Lüth, Hugo Hilpmann, Lars Vieth, Lucie Marsmann und Jule Ehlenz.

Artist Unlimited Galerie, Eingang Innenhof, August-Schroeder-Str. 1 ,33602 Bielefeld

Öffnungszeiten: 05.04.-27.04.2024, Freitag 16-19 Uhr, Samstag und Sonntag 14-17 Uhr
Während den Nachtansichten am 27.04.2024 von 18-01 Uhr geöffnet.

Zu den Künstlern

Jule Ehlenz studiert an der Hochschule Bielefeld im Bachelor Gestaltung in der Studienrichtung Fotografie und Bildmedien.

Hugo Hilpmann studiert im B.A. Fotografie und Bildmedien an der Hochschule Bielefeld. Seine Arbeiten wurden in den Gruppenausstellungen „Fundament“, sowie „Ausstellkammer: I love Dirk“ am Fachbereich Gestaltung der HSBI ausgestellt. Seine Arbeit „30,0kg/m2“ wurde im Further04 der Fotobus Society veröffentlicht.

Helen Lüth studiert im B.A. Fotografie und Bildmedien an der Hochschule Bielefeld. Ihre Arbeiten wurden in den Gruppenausstellungen „Ausstellkammer: I love Dirk“ und „East, West Bucharest“ am Fachbereich Gestaltung gezeigt.

Lucie Marsmann ist visuelle Künsterlin und Fotografin. 2010 absolvierte sie ihr Diplom an der damaligen Fachhochschule Bielefeld. Von 2006 bis 2019 war sie aktives Mitglied bei Artists Unlimited. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Arbeiten wurden national und international ausgestellt, unter anderem im MARTa Herford, im Atelierhaus Museoin Bozen und im HANSEartWORKS Bergen sowie auf dem Fotobookfestival Kassel, dem Breda Photofestival und dem UNSEEN Photofestival Amsterdam.

Lars Vieth absolvierte 2023 seinen Bachelor of Arts an der Hochschule Bielefeld. Derzeit studiert er im Master Gestaltung die Studienrichtung Kommunikationsdesign an eben dieser.

Weitere Informationen

Fachbereichs Gestaltung
Galerie Artists Unlimited: Ausstellung „In Erinnerung an…“ 
Buch Lebensernte. Psychologie der Großelternschaft“